von Caro
88,5 km - 2600 hm - 1d 7h 22min
Am ersten Oktoberwochenende fand das diesjährige Harz Dogtrekking (HDT) statt. Im Jahr 2016 hatten wir es noch selbst veranstaltet und eigentlich sollte es eine einmalige Geschichte bleiben. Doch die Nachfrage für eine zweite Auflage war riesig, viele hatten noch eine Rechnung mit dem wilden, nassen Mittelgebirge im Herzen von Deutschland offen. Wir fragten also die beiden absoluten Harz-Wander-Oberspezialisten: Becci und Kati von Dogtrekking Harz, ob sie nicht Bock drauf hätten das HDT weiterleben zu lassen - und das hatten sie. Auf die Mädels ist da Verlass. Vorteil für uns, wir mussten uns nicht nochmal mit grottenschlechtem Kartenmaterial herumschlagen und konnten selber mitlaufen.
Eigentlich hatten wir uns für die entspannte 60 Kilometer Hike Extended Strecke entschieden - doch dann kam mal wieder alles anders. Komplett geflasht vom Hochkönig ll am Wochenende davor,
wollten wir nun doch das Dogtrekking mit 88 Kilometern in Angriff nehmen, allerdings Old School mit Biwak. Anne von Dogtrekking Erfurt wollte beim HDT ihre erste Dogtrekkingdistanz gehen, die
ursprünglich geplante Begleitung hatte sich für die "wenig Gepäck und nonstop" Variante entschieden. Das wollte Anne aber nicht. Versteh ich und bot ihr an bei uns mitzugehen. Alex bekam dann
blöderweise kurzfristig eine Nachtschicht reingeknallt und somit war er raus. Kimba zog sich in der Woche vorher einen riesigen Hot Spot am Hals zu und damit konnte Anja auch nicht mit. Also nur
Anne und ich.
Die Wettervorhersage war eher so naja und ich packte sicherheitshalber alles doppelt in Plastiktüten ein. Am Freitagabend kam ich bei leichtem Nieselregen
gegen neun auf dem Campingplatz Braunlage an. An der Anmeldung wurde ich trotz der fortgeschrittenen Stunde sehr freundlich begrüßt. Der Platzwart winkte nach meiner Frage was denn der Parkplatz
vorn bis Sonntag kosten sollte, bloß ab und fuchtelte Richtung Kaffeekasse. OK cool!
Vor dem Klohäuschen gab es ein kleines Dach und dort warteten Lukas, Nicole, Anne und Co mit einem Bier und Pizza. Es wurde noch ein etwas längerer Abend. Lukas wollte schon um Null Uhr zusammen mit Jenni auf das Trekking starten. Als er ins Bett ging konnte er noch genau eine Stunde schlafen - das Übliche. Mit Anne verabredete ich mich für den nächsten Morgen um fünf am Klohäuschen. Gute Nacht, ab ins Auto, noch ein paar Stunden pennen.
4:30 Uhr klingelte der Wecker. Ich stopfte wie immer recht planlos noch Kram in den Rucksack und die Huskymädels in ihre Geschirre (Boscaille wollte ich zwei Wochen nach der Kastration noch kein Trekking zumuten). Ich machte mich auf den Weg zum Klohäuschen und trotz der frühen Stunde wuselten schon allerlei Gestalten auf dem Platz herum. Hier und da bekannte Gesichter (soweit unter den Stirnlampen erkennbar) und gedämpft gemurmelte Begrüßungen. Anne war bereits da und klebte prophylaktisch schonmal die Füße mit Tape ab. Wir waren startklar. Anne hatte sowohl den Komoot-Track auf dem Handy als auch die Streckeneinweisung am Vortag bekommen und würde den Part der Navigation übernehmen. Wir tapsten zum Orga-Wohnwagen, Startzeit 5:20 Uhr, und kündigten an, dass wir erst Sonntag zurück sein würden. Am Parkplatz holte ich noch die Hunde aus dem Auto und schon waren wir am Trail. Emi und Sakari liefen motiviert in den frühen, noch sehr dunklen Morgen. Auf die vertraute Malisilouette musste ich dank Annes Herderhündin Viba auch nicht verzichten. Meine Füße waren genau 2 Kilometer lang trocken, dann batschte ich in das erste unter Gras versteckte Schlammloch. Nunja - gibt Schlimmeres. Bald schon erreichten wir den Ersten von insgesamt 14 Checkpoints, mussten aber kurz warten, da gerade die zwei Weißen Schäfer ihre Karte abstempelten. Den beiden würden wir noch öfter begegnen. Der Weg führte entlang einer langen Forststraße, auf der ein unglaublicher Verkehr herrschte. Ständig wichen wir auf die Seite aus und einen mit Jägern und Hunden beladenen Geländewagen nach dem Anderen vorbeizulassen. Zweimal mussten wir Auskunft geben, was wir hier tun, aber alle waren freundlich interessiert. Kurz vorm Achtermann war erstmalig der "kurze, steile Anstieg" mit Flatterband gesperrt. Windbruch, Lebensgefahr, bla. Ein paar Tage zuvor war Sturm Xavier durch Deutschland getobt und hatte einiges an Fichten umgeworfen. Das Band ignorierten wir gekonnt. Auf zur ersten Runde Waldagility!
Endlich Abwechslung nach dem doch recht faden Anfang. Bald waren wir oben und trafen erneut die Weißen, die den bequemen, längeren Anstieg genommen hatten und noch einige Andere u.a. Helga und
Ramona, unterwegs auf dem Hike. Hier ernteten wir die ersten verwunderten Blicke: auf dem Trekking unterwegs und erst so spät gestartet? Ja Biwak machts möglich!
Anstieg Nummer eins war geschafft, also schnurstracks zu Nummer zwei, die Skipiste vom Wurmberg. Je weiter wir Richtung Gipfel kamen, desto stärker wurde der Wind. Meinen Hut musste ich
stellenweise festhalten, sonst wäre er weggeflogen. Wir holten schnell den Stempel und beeilten uns wieder in tiefere Lagen zu kommen denn dort war es ein wenig gemütlicher. Wasser von oben
hatten wir zu diesem Zeitpunkt nur gelegentlich in Form von Niesel.
Über das Eckerloch gings nach einer Frühstückspause auf den Brocken. Trotz des Wetters war Anstehen angesagt. Zahllose hochglanzoutdoorklamotten-tragende Familienausflügler schleppten sich in trägem Strom bergan. Die Regenschirme fest umklammert. Vorbeilassen - no way! Man war schließlich zuerst da. Das war ziemlich nervig. Zugegeben, der Harz und ich wir haben eh ein schwieriges Verhältnis zueinander und der Brocken ist definitiv der überbewertetste Berg, den ich kenne. Die Anstiege sind nicht der Rede wert. Oben ist er kahl und erinnert an eine umgestülpte Puddingschüssel, Sicht ist an gefühlt 300 Tagen im Jahr Fehlanzeige und diesmal hat der Sturm sogar fast das Gürkchen weggerissen. Mit dem Stempelkasten hatte er es geschafft. Checkpointstempel gabs daher in der Gaststätte. Über den Hirtensteig - eine romantische Umschreibung - einer kilometerlangen Panzerplattenstraße, gings bergab Richtung Ilsenburg. Letzte Chance auf die Hike Extended zu wechseln, doch uns gings gut, wir kamen gut voran und so war das keine Option.
Unser Plan sah vor in Ilsenburg etwas Warmes zu essen und dann noch bis zur Eckerlochtalsperre weiterzugehen. Dort waren mehrere Hütten verzeichnet, die als Nachtlager in Frage kämen und mit etwa 60 Kilometern hätten wir dann auch zwei Drittel der Gesamtstrecke geschafft. Vor Ilsenburg gab es einige sehr schöne Trails und wir fanden eine kleine, gemütliche Kneipe mit drei Tischen. Kilometertechnisch hatten wir Halbzeit und waren ziemlich genau seit 12 Stunden unterwegs. Verdientes Halbzeitbier und ein Teller deftiges Essen!
Frisch gestärkt machten wir uns anschließend wieder auf den Weg. Es ging hinauf zum Froschfelsen. Aus dem Tal heraus merkten wir bereits, dass der Wind in den höheren Lagen zugenommen hatte. Junge Birken säumten den Weg und bogen sich fast bis zum Boden. Auf den Wegweisern war jetzt ständig unser gesetztes Tagesziel, die Eckerlochtalsperre mit ca. 5 Kilometern angeschrieben, doch der Track führte uns konsequent in die andere Richtung. Das fraß langsam an den Nerven. Als wir den letzten Zipfel, die Taubenklippe erreichten, flogen wir und die Checkpointkarte fast weg, also stempeln und schnell zurück zwischen die Bäume, die zumindest etwas vom Wind abhielten. Es wurde kalt, der Regen setzte ein und das letzte Tageslicht schwand schnell. Wie Zahnstocher ragten die silbrig - bleichen Fichtenleichen in den Abendhimmel und bei den Sturmböen hofften wir, dass die Dinger bitte noch stehenbleiben, bis wir den Abschnitt passiert hatten. Jetzt endlich! Wir durften den Schildern Richtung Talsperre folgen! An der Rangerstation, kurz vor der Talsperre schauten wir uns erstmalig nach einem Unterstand um, doch wir fanden nichts wirklich Ansprechendes. Also weiter. Der Regen wurde immer heftiger und sobald wir den Schutz des Waldes verließen gesellten sich die Sturmböen dazu. Dummerweise ging unser Weg ungeschützt am Ufer der Talsperre entlang zur Staumauer. Den Stempel holten wir, doch die in meiner Wanderkarte eingezeichnete Schutzhütte existierte nicht. Hab ich schonmal erwähnt, dass ich den Harz nicht sonderlich mag? Er hat sich an diesem Abend keinerlei Mühe gegeben mein Urteil zu revidieren...
Im strömenden Regen standen wir unter einem kleinen Dach einer Touri-Wanderkarte. Ich war biwakreif, und ich konnte mir vorstellen, wie es Anne ging, deren Kraftreserven sich nach und nach auch dem Ende entgegen neigten. Laut der Karte war eine weitere Schutzhütte, ca. 3 km entfernt. Der Track führte uns dorthin und es war ein Checkpoint verzeichnet. Die befinden sich häufig in Schutzhütten und das musste jetzt auch bitte, bitte der Fall sein. Anne war nämlich von meiner Idee einfach im Wald zu biwakieren nicht sonderlich angetan, was ich bei dem Dauerregen auch gut verstand. Die Vorstellung fand auch ich nicht sonderlich prickelnd. So zogen wir weiter. Als Aufmunterung teilten wir schwesterlich meinen Notknoppersriegel - das sind sie - die Not-Schoki-Momente. Damit ist zumindest für kurze Zeit alles nur noch halb so schlimm. Auf einem schmalen Pfad gingen wir am gegenüberliegenden Ufer der Talsperre entlang. Der Singletrail war nochmal Motivation, für mich zumindest. Ein letzter kleiner, steiniger Anstieg und dann lag sie vor uns: die Skihütte. Darin stapelten sich zwar die Bierflaschen und der Stempelkasten war als Mülleimer missbraucht worden (manchmal hasse ich Menschen) aber der Boden war trocken und die Hütte auch mehr als geräumig! Schnell raus aus den nassen Klamotten und rein in trockene, warme Sachen. Die Hunde bekamen ihr Futter. wir breiteten die nassen Krempel auf den Bänken aus und rollten die Schlaf- und Biwaksäcke aus. Es lohnt trotz Dach über dem Kopf den Biwaksack zu nutzen. Er bringt noch ein paar Grad zusätzlich und ist winddicht. Gürkchen rollte sich neben mir auf der Hundeisomatte zusammen und Emi in meinen Kniekehlen. Eine Zusatzheizung, die man mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit bezahlt. Gegen elf schlossen wir die Augen. Draußen hab ich oft das Gefühl eher zu ruhen als wirklich zu schlafen und doch bin ich morgens immer deutlich ausgeruhter als nach einer Nacht im Bett. Immer wenn ich kurz wach wurde, hörte ich draußen den Regen rauschen.
Der rauschte auch am Morgen noch. gegen sechs machten wir uns wieder auf die Socken. Das Anziehen von nassen Schuhen und der nassen Regenjacke ist immer ein ganz besonderes Schmankerl. Ich muss dann ordentlich laufen um warm zu bleiben. Emi war bockig. Im Regen wollte sie nicht so recht und tippelte mir vor den Füßen herum. Auch bei Anne hatte der Vortag und die ungemütliche Nacht ihre Spuren hinterlassen. Unser Grundtempo war deutlich langsamer. Dass der Weg auf den nächsten Kilometern eher ein Bach war, machte uns nicht schneller. Lustigerweise versuchte ich trotz pitschnasser Füße immer noch einen Tritt zu finden, um das körperwarme Wasser in meinem Schuh nicht gegen frisches, kaltes auszutauschen. Mehrfach versanken wir knietief im Moor und lediglich der Gedanke, dass es heute nur noch 27 Kilometer waren, hielt die Stimmung auf einem halbwegs erträglichen Level. Am Anfang wars nur Bach und Moor, Richtung Oderteich kamen dann wieder umgestürzte Fichten dazu. Auf allen Vieren unter einem Stamm durch knöcheltiefes Wasser - ich war noch nie so froh eine Regenhose an zu haben! Die Holzplanken der Stege, die durch das Moor führten, waren stellenweise auch schon handbreit überspült.
Noch 13 Kilometer bis zum Ziel - es war halb zehn. Um Zehn sollte die Siegerehrung stattfinden. Wir schickten eine SMS an Kati und Becci raus, dass wir gegen Mittag wieder da sein würden.
Irgendwann auf den nächsten Kilometern ließ dann der Regen nach. Anne biss sich durch, das Ziel vor Augen. Am vorletzten Stempel bekamen wir einen Anruf von Christin, die nachfragte, wann wir denn kommen würden und ob alles ok ist. Als ich sagte, dass wir noch sieben Kilometer hätten, wollten sie noch auf uns warten. Außer Nicole wäre sonst keiner mehr da. Ich dachte erst, ich hätte mich verhört. Die Verbindung war nicht sonderlich toll... Letzter Stempel, zack, noch ein Anstieg und endlich wurde es mir warm. Es kam sogar die Sonne heraus!
Um 12:42 Uhr schossen wir unser unser Zielselfie - es war außer dem Team von Pfotenharmony und Nicole wirklich keiner mehr da. Das war blöd. Besonders für Anne, die ihr erstes Dogtrekking
gefinisht und eine Wahnsinnsleistung unter echt hässlichen Bedingungen erbracht hat, tat es mir richtig leid. Auch waren wir die Einzigsten Finisher auf der Langdistanz, alle anderen hatten
abgebrochen! Unsere Strategie war aufgegangen.
Ich schälte mich aus meinen nassen Klamotten und der Nachbar von der Huskykennel, den ich Freitag Abend gar nicht bemerkt hatte, brachte mir einen Kaffee "Ich weiß wie das ist, wenn man von einer langen Strecke mit den Hunden heim kommt, da braucht man jemanden, der einem einen heißen Kaffee bringt." Wie Recht er hatte!
Anne verschwand für eine gefühlte Ewigkeit unter der Dusche, die Hunde rollten sich in ihren Boxen zusammen und schliefen den Schlaf der Gerechten. Ich verquatschte mich noch mit Nicole - wie das halt immer so ist.
Anne und Viba - ihr habt das super gemacht! HERZLICH WILLKOMMEN im Kreis der Dogtrekking-Finisher!
Danke an das Orgateam! Die Strecke war toll - im Ziel hättet ihr aber ruhig noch auf uns warten können :-)
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