Dies ist ein Gastbeitrag von Lukas Sommer. Er ist oft auf unseren Wanderungen dabei. Diesen August war er mit seinen beiden Hunden Taiga und Kotori in der Hardangervidda/ Norwegen unterwegs. Er hat uns erlaubt seinen Tourbericht auf unserer Seite zu veröffentlichen. Danke dafür!!! Ihr lest hier eine gekürzte Fassung des Orginalberichts. Viel Spaß im hohen Norden!
Nachdem die Vorbereitungen beendet und alle Sachen im Rucksack verstaut waren, machten Rolf und ich uns auf den Weg in den Norden.
Die Fahrt lief recht entspannt ab. Nach vielen Stunden erreichten wir am frühen Abend endlich unser Hotel in Dyranut. Dort bezogen wir unsere Zimmer, auf denen sogar, ganz untypisch für Norwegen, Hunde erlaubt waren. Wie bei den meisten Häusern Skandinaviens war die Einrichtung unserer Unterkunft spartanisch, aber gemütlich.
Am nächsten Morgen starteten wir, nach einer Überprüfung des Equipments und einem kleinen Frühstück, in unser Abenteuer Hardangervidda. Die erste Etappe war in der Karte mit 9,5 Stunden reine (norwegische!) Gehzeit angegeben. Ich rechnete mit Pausen und allem mit etwa 11 Stunden – ein langer Tag also...
Schon bald nach dem Start mussten wir einen Fluss überqueren. Die Brücke war jedoch mit Palletten versperrt und nach einer geeigneten Stelle zum Durchwaten suchte ich vergeblich. Rolf wagte es schließlich, trotz der vermeintlichen Sperre, die Brücke zu benutzen und erreichte sicher das andere Ufer. Also vertraute auch ich auf mein Glück und folgte ihm.
Der Wind fegte ordentlich durch die Hochebene. Nach gut 4 Stunden erreichten wir eine kleine Hütte, die verschlossen war. So nutzten wir sie zumindest als Windschutz für eine kurze Mittagspause unter einem bewölkten Himmel.
Frisch gestärkt folgten wir anschließend einem kleinen Pfad parallel zu einem Bergkamm, der sich jedoch bald verlor. Vom roten „T“,welches in Norwegen den Wanderweg markiert, war weit und breit nichts mehr zu sehen. Nach einem kurzen Blick auf die Karte waren Rolf und ich uns eigentlich über unseren Standort einig. Doch Kontrolle ist manchmal besser. Ich zog also zusätzlich den Kompass zu Rate und ermittelte unsere Position. Eine Gegenprüfung ergab jedoch andere Koordinaten. Rolfs Vertrauen in meine Fähigkeiten schwand dahin, doch ich ließ mich nicht von meinen Berechnungen abbringen. Schließlich nahmen wir einfach die berechnete Position an, marschierten weiter und erreichten kurze Zeit später einen breiten Fluss. Den konnten wir auch auf der Karte eindeutig identifizieren. Die Richtung stimmte, doch mussten wir noch auf die andere Seite des Gewässers.
Mit meinen hohen Lundhag-Stiefelnwar die Überquerung kein Problem. Rolf scheiterte allerdings beim ersten Versuch und trug nasse Füße davon.
Nach einer leichten Steigung am anderen Ufer, stießen wir auch wieder auf den markierten Weg.
Unser kleiner Umweg hatte Zeit gekostet. Wir spielten schon mit den Gedanken, unser Lager aufzuschlagen, als sich vor uns ein gewaltiger Talkessel öffnete. Auf dessen Grund wand sich ein Fluss dahin und auf der linken Seite kam unser Tagesziel in Sicht, die Hütte Hadlaskard.
Rolfs Knie hatte schon vor einer Weile angefangen zu schmerzen. Der steile Abstieg verbesserte sein Problem nicht, aber Ausblick, der sich uns dabei bot, entschädigte die Strapazen des Tages mehr als genug.
Nach 13 Stunden erreichten wir endlich die Hütte. Dort wurden wir dermaßen von Mücken überfallen, dass ein Schlafen unter freiem Himmel für Hund und Mensch undenkbar war. Also sicherte ich uns Betten und Boxen für die Hunde. Nachdem wir noch eine Kleinigkeit gegessen hatten, fielen wir müde aber glücklich darüber, dass wir mit unseren Hunden diese atemberaubende Landschaft durchstreifen können, in die Federn.
Für den zweiten Tag wählten wir eine deutlich kürzere Tagesetappe. Lediglich 4 Stunden Gehzeit prophezeite die Karte bis zur Torehytten. Der Weg dorthin setzte sich auf der anderen Seite des Flusses fort. Diesmal stand eine Hängebrücke zur Querung zur Verfügung. Eine Herausforderung für die Hunde! Rolfs Hund Akiro besiegte seine anfängliche Skepsis und meisterte dieses Hindernis dann doch erstaunlich gut, dicht an der Seite seines Herrchens.
Vorbei an Kajakfahrern, die im Wildwasser ihr Vergnügen fanden, führte der Trail anschließend durch ein mückenreiches Moorgebiet. Die Sonne schien ununterbrochen und vom kühlen, nordischen Klima war nicht viel zu spüren. Immer wieder stießen wir auf landestypische Hütten mit Grasdächern, die sich in die Hochebene duckten.
Kotori mein Malamute hatte, sobald wir ein Gewässer kreuzten, seinen Spaß mit dem kühlen Nass. Das teilte er zur allgemeinen Heiterkeit auch allen lautstark mit. Nur Taiga, meine Hündin, hatte so gar kein Verständnis für diesen Unsinn und wollte zielstrebig den Weg fortsetzen.
Vom Sumpf wechselten wir wieder auf festen Untergrund. Es ging bergauf. Oben hatten sich ein paar Schafe versammelt. Fest entschlossen sein erwähltes Frühstück nicht entkommen zu lassen, legte sich Kotori ordentlich ins Zeug. Blöderweise verlief der Pfad an dieser Stelle direkt an einem Abhang, eine heikle Situation! Nach einer deutlichen Ermahnung meinerseits, gab er sein Vorhaben letztlich auf und wir absolvierten den Aufstieg unbeschadet.
Am Tagesziel, der Torehytten, angekommen breitete sich vor uns ein See aus in dem noch große Eisblöcke schwammen. Ich träumte schon seit langem davon einmal in solch einem See baden zu gehen. Gesagt, getan. Es war sehr, sehr kalt. So kaltes Wasser hatte ich noch nie erlebt. Die Füße schmerzten schon, als ich nur bis zu den Köncheln im See stand. Aber es nützt ja nichts. Augen zu und durch. Den Oberkörper runter und mit dem Kopf unter Wasser. Brrrr! Aber es tat richtig gut. Im Anschluss ließ ich mich von der wärmenden Sonne, bei leichter Brise trocknen. Nach einem kleinen Nickerchen wurde gekocht. Die Falaffeln sind mir leider furchtbar misslungen aber zumindest der Kartoffelbrei war genießbar.
Abends in der Hütte berichtete dann ein Berliner Wanderer von seiner 5 stündigen Odyssee, die er an diesem Tag mit seinem Kumpel hinter sich gebracht hatte: 12 statt der geplanten 7 Wegstunden. Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie zwar einen Kompass dabei hatten, aber keine Ahnung wie man damit umgeht. Nachdem ich meine Fassungslosigkeit überwunden hatte, bekamen sie von mir noch einen kleinen Crashkurs „Orientierung im Gelände mit Karte und Kompass“ verpasst. So endete unser zweiter Tag auf Tour. Da er deutlich gemütlicher ablief als der Erste, erholte sich auch Rolfs Knie wieder einigermaßen.
Weiter ging es am Morgen des 3. Tages nach Litos. Gleich zu Beginn mussten wir einen steilen Hang hinunter. Mit Schlittenhunden am Bachgurt eine nicht zu unterschätzende Aufgabe, die uns ordentlich ins Schwitzen brachte. Etwas weiter ging es sogar über einen Wasserfall, der beeindruckende 80 m die Felsen herabstürzte.
Als ich den letzten großen Felsen in Angriff nahm, rutschte ich ab und schlug mit dem Rücken auf die Steine. Ich hatte großes Glück. Der Rucksack hat mich vor größeren Verletzungen bewahrt. In diesen Momenten wird einem klar, dass man nur die Schöpfung ist und nicht die Schöpfer. Ich glaube viele Menschen vergessen das oft.
Es ging weiter den Hardeigen hinauf. Das ist eine sehr charakteristische Felsformation und prägt die Landschaft des Gebietes. Dort traf ich eine Norwegerin, die am Morgen kurz vor uns auf den Trail gestartet war. Ich setzte mich zu ihr, um auf Rolf zu warten und ein Stück meiner Schokolade zu genießen. Die Aussicht hier oben war genial.
Anschließend überquerten ein paar steile Schneefelder am Fuß des gigantischen Bergmassivs. Teilweise waren sie mit Wasser unterspült und erzeugten beim Überqueren ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Der starke Wind hier oben weckte Erinnerungen an meine letzte Schwedentour über den Kungsleden im vergangenen Winter. Wir spürten die Naturgewalten und waren begeistert von der Schönheit der Hardangervidda.
In Litos angekommen bezogen wir einen kleinen Schlafsaal. Die Preise hier empfand ich schon als Frechheit. Für eine Tasse lauwarmes Wasser 70 Cent zu nehmen, obwohl sogar das aus dem Wasserkran wärmer war, fand ich nicht fair. Am Abend aßen wir ein paar Nudeln und tranken jeder ein Bier. Es wurde jeder Schluck genossen. In Deutschland würde man das nie machen. Doch die norwegischen Preise lassen die Wertschätzung enorm steigen.
Nach dem Aufstehen bemerkten wir, dass das Wetter umgeschlagen hatte. Es regnete und sah nicht so aus als würde es in der nächsten Zeit damit aufhören. Also Regenbekleidung an und los. Drei Worte reichen um den Tag zu beschreiben: grau, nass, ungemütlich. Dauerregen und soweit das Auge reichte, flaches weites Gelände. Meine Hose sog sich mit Wasser voll und die Abgänge vom Bauchgurt sorgten dafür, dass mir das Wasser, vom Poncho gesammelt, von oben in die Stiefel lief.
Die 6 Stunden nach Bosso marschierten wir ohne Pause durch. Dort angekommen, verkündete uns ein Mann, dass die hiesige Hütte geschlossen hatte. Aber die dort drüben habe offen. Mit dieser Aussage wies er vage auf die andere Seite des Sees. Ein Blick auf die Karte offenbarte mir auch den Namen dieses Ortes: Sandhug - 2 Wegstunden entfernt. Das Ganze in komplett durchnässten Sachen. Wenn man sich eigentlich schon am Ziel wähnt, ist die Motivation situationsbedingt eher mangelhaft – auch bei Kotori, der sich die folgende Stunde von Taiga vorwärts ziehen ließ. Doch es nützt ja nichts. Also weiter.
In Sandhug wurden wir dann sehr nett begrüßt. Wir brachten die Hunde ins Trockene und uns anschließend selbst ins Warme. Das leckere Abendessen genossen wir in vollen Zügen. Dabei fiel der Entschluss einen Ruhetag einzulegen. So konnten die Sachen trocknen und die Hunde sich erholen. Besonders Akiro schmerzten vom ungewohnten, steinigen Untergrund ein wenig die Füße.
Für die beiden letzten Tage beschlossen wir einen Abstecher in den Osten der Hardangervidda zu machen. Das Wetter hatte sich schon am Vortag etwas aufgeklart. Unser Ziel für den Tag hieß Raundhellerm. Das Gelände wurde deutlich flacher und hinter uns ragte der Hardeigen in den Himmel. In den Pausen ärgerten uns die Mücken. Nach einer Weile tauchte vor uns eine Hütte auf und ich war mir sicher Raundhellerm vor mir zu haben. Das wunderte mich. Nach so kurzer Zeit und schon die Hütte in Sicht? Meinen Berechnungen zufolge sollten es noch 3 Wegstunden sein. Wie sich herausstellte, sollte das auch stimmen. Das Auge spielt einem in weiter flacher Landschaft schon einmal einen Streich und Objekte erscheinen näher als sie wirklich sind. Das Ziel vor Augen zog sich der Weg eine gefühlte Ewigkeit hin. Der Osten ist landschaftlich nett, aber mir persönlich zu monoton. Der Westen ist da deutlich abwechslungsreicher.
In Raudhellerm angekommen empfingen uns zwei Pferde und ein Hofhund, der einen sehr entspannten Eindruck machte. Die Hausschweine wollten uns auch begrüßen kommen. Sehr zu meinem Leidwesen aber zur großen Freude meiner Hunde. Kotori und Taiga waren sich einig wie man in einem solchen Fall zu verfahren hat, mit Geschrei und Gebrüll darauf los und Angriff. Mit Aufbietung aller meiner Kraft konnte ich die beiden aber rechtzeitig in das, glücklicherweise von außen zugängliche Hundezimmer verfrachten. Rolf hatte an der Stelle, mit nur einem Hund, deutlich weniger Probleme.
Mit einer netten Unterhaltung über das Reisen in Skandinavien mit einer Familie, klang der Abend aus.
Und so brach auch schon der letzte Tag an und wir machten uns abmarschbereit. Ein letzter Blick zurück und schon ging es eine Hügelkette hinauf. Sie führte uns wieder Richtung Dyranut, zurück zu unserem Ausgangspunkt. Das Wetter blieb, bis auf einen kurzen Nieselregen, der schnell vom allgegenwärtigen Wind vertrieben wurde, trocken.
Nach einer kurzen Pause am Mittag stießen wir nach gut einer Woche auf die erste richtige Straße.
Von hier an waren es noch ca. 2 Stunden bis zur Hütte. Mir wurde langsam bewusst, dass unsere Reise sich dem Ende zu neigte. Ich sah die Hunde an und spürte, dass wir alle am liebsten noch wochenlang so weiterziehen wollten. Durch wilde Berge und Täler, Tag für Tag Neues entdecken und eins werden mit der Natur.
Wie sehr hatte ich mich in der Woche an dieses Leben gewöhnt. Weg von all den Menschen bei denen Worte mehr zählen als Taten, weg vom Berufsalltag, der einem die Zeit zum Leben raubt. Hier stellte ich fest, DAS ist die Welt wie ich sie mir wünschte.
Wehmütig, doch mit der Gewissheit, schon bald zurückzukehren, verließen wir die Vidda. Zum Abschied beschert sie uns noch einen traumhaften Sonnenaufgang.
Für all die, die auch dieses schöne Gefühl erleben möchten, werde ich im kommenden Winter dort eine Tour veranstalten.
Lukas Sommer
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